XVI

Geralt blickte sich um. Vom Loch im Dach fielen langsam Wassertropfen herab. Ringsum breitete sich ein Wirrwarr von Schutt und zersplittertem Holz aus. Durch einen seltsamen Zufall war die Stelle, wo sie lagen, völlig sauber geblieben. Es war kein einziges Brett, kein einziger Ziegel auf sie gefallen. Es war, als hätte ein unsichtbarer Schild sie beschützt.

Leicht errötet, rappelte sich Yennefer neben ihm auf die Knie hoch, die Hände auf die Oberschenkel gestützt. »Hexer«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Lebst du?«

»Ich lebe.« Geralt wischte sich Kalk und Staub vom Gesicht, fauchte. Yennefer berührte mit einer langsamen Bewegung seinen Handrücken, fuhr vorsichtig mit den Fingern darüber. »Ich habe dich verbrannt . . .«

»Eine Kleinigkeit. Ein paar Blasen . . .«

»Entschuldige. Weißt du, der Dschinn ist fort. Endgültig.«

»Tut es dir leid?«

»Nicht sehr.«

»Das ist gut. Hilf mir bitte auf.«

»Warte«, flüsterte sie. »Dieser Wunsch von dir ... Ich habe gehört, was du dir gewünscht hast. Mir hat es einfach die Sprache verschlagen. Alles konnte ich erwarten, aber dass du ... Was hat dich dazu bewegt, Geralt? Warum ... Warum ich?«

»Weißt du es nicht?«

Sie beugte sich über ihn, berührte ihn, er fühlte ihre Haare über sein Gesicht streichen, die nach Flieder und Stachelbeeren rochen, und plötzlich wusste er, dass er diesen Geruch, die sanfte Berührung nie vergessen würde, er wusste, dass er sie nie mehr mit einem anderen Geruch und einer anderen Berührung vergleichen könnte. Yennefer küsste ihn, und er begriff, dass er nie mehr andere Lippen als ihre wollen würde, weich und feucht, süß vom Rouge. Er wusste plötzlich, dass es von diesem Augenblick an nur noch sie geben würde, ihren Hals, ihre Schultern und Brüste, von dem schwarzen Kleid freigegeben, ihre feine, kühle Haut, die mit keiner anderen zu vergleichen war, die er je berührt hatte. Er schaute aus der Nähe in ihre veilchenblauen Augen, die schönsten Augen auf der ganzen Welt, und diese Augen, fürchtete er, würden für ihn ...

Alles würden sie sein. Er wusste es.

»Dein Wunsch«, flüsterte sie, die Lippen ganz nah an seinem Ohr. »Ich weiß nicht, ob sich so ein Wunsch überhaupt erfüllen kann. Ich weiß nicht, ob es in der Natur eineKraft gibt, die so einen Wunsch zu erfüllen vermag. Und wenn, dann hast du dich verurteilt. Dich zu mir verurteilt.«

Er unterbrach sie mit einem Kuss, einer Umarmung, einer Berührung, einer Zärtlichkeit, mit Zärtlichkeiten, und dann mit allem, was er war, mit jedem Gedanken, dem einzigen Gedanken, allem, allem, allem. Sie durchbrachen die Stille mit Seufzern und dem Rascheln der zu Boden geworfenen Kleidung, durchbrachen die Stille sehr sanft und waren sehr gemächlich, waren gründlich, waren behutsam und einfühlsam, und obwohl beide nicht recht wussten, was Behutsamkeit und Einfühlung bedeuten, gelang es ihnen, denn sie wollten es sehr. Und überhaupt hatten sie es nicht eilig, und die ganze Welt existierte nicht mehr für sie, existierte für einen kleinen, kurzen Augenblick nicht, ihnen aber schien er eine ganze Ewigkeit, denn es war wirklich eine ganze Ewigkeit.

Und dann begann die Welt wieder zu existieren, doch sie schien völlig anders geworden zu sein.

»Geralt?«

»Hm?«

»Und was weiter?«

»Ich weiß nicht.«

»Ich auch nicht. Denn weißt du, ich ... Ich bin nicht sicher, ob es sich lohnte, sich zu mir zu verurteilen. Ich kann nicht ... Warte, was tust du ... Ich wollte dir sagen . . .«

»Yennefer ... Yen.«

»Yen«, wiederholte sie und erlag ihm vollends. »So hat mich noch nie jemand genannt. Sag es noch mal, bitte.«

»Yen.«

»Geralt.«

Der letzte Wunsch
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